Mi |02|11|2022|20:15

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Mi |02|11|2022|20:15| CINEMA

Burning Days

Regie: Emin Alper, Türkei 2022, 129', OV/d/f, Eintritt: 15.-

Wasserknappheit in Anatolien

Archivdatum: 02.11.2022 , 01.12.2022 , 09.12.2022

Emre, ein junger und engagierter Staatsanwalt, wird in eine anatolische Kleinstadt entsandt. Man hat da eine Wasserkrise ausgemacht, verbunden mit politischen Skandalen, die untersucht werden sollen. Gerüchte und Lügen prägen den Alltag, werden schleichend zu Wahrheiten. Ein fesselnder, grossartig fotografierter und gespielter Politthriller, in dem sich Abgründe auftun. Thrilling ist sie, die Wirklichkeit.

Ein Loch klafft in der weiten Landschaft. Es klafft irgendwo im anatolischen Hinterland, aber seine Ursache ist eine globale: Wassermangel, gründend auf einer Politik, die sich um Einzelinteressen kümmert, aber kaum um jene der Gemeinschaft. Der türkische Filmemacher Emin Alper gehört zu den spannendsten Stimmen des gegenwärtigen Kinos. Wie in "Abluka", in dem er den Wahnsinn der staatlichen Kontrolle ins Absurde treibt, oder in "A Tale of Three Sisters", in dem er in einem entlegenen Bergdorf ein Familienepos in die Landschaft hineinchoreografiert, fesselt seine Erzählkunst auch in «Burning Days», und sie tut dies visuell, indem sie uns vom ersten Moment an aufnimmt und eintauchen lässt in den Kosmos, aus dem es kaum noch ein Entrinnen zu geben scheint.
Verwurzelt sind all seine Geschichten in der heutigen Wirklichkeit, die in der Türkei von Tradition geprägt ist, von Korruption gelähmt wirkt und von Figuren belebt wird, die in diesem Rahmen ihre Spiele treiben und gesellschaftlichen Entwicklungen im Wege stehen. Alper inszeniert das Geschehen mit exzellenten Schauspielerinnen und Schauspielern, die bis in die kleinsten Rollen hinein zur im wahrsten Sinn atemberaubenden Atmosphäre beitragen. Es ist ein Rausch, in den die gutwillige Hauptfigur in einer ihr fremden und bei aller lächelnden Freundlichkeit abweisenden Umgebung versetzt wird. Ein Rausch, dem auch wir verfallen und bald nicht mehr wissen: Was war da jetzt genau und warum? Wir sind selber mittendrin.
Walter Ruggle